"Mit dem berüchtigten Interview des BMW-Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder bei der Vorstellung des Rover 75 im Oktober 1998 auf der Birmingham Motor Show war natürlich der Verkaufsbeginn des Rover 75 mit einem großen Makel behaftet.

 

Bekannt war natürlich, dass Rover zum Zeitpunkt der Präsentation des Rover 75 Verluste einfuhr. Warum aber Pischetsrieder die Präsentation des Rover 75 nutzte, um Rover und insbesondere das Modell 75 verkaufsmäßig zu zerstören, ist nie bekannt geworden. Pischetsrieder hat sich nie dazu geäußert. Auch aufgrund dieser Ereignisse wurde Pischetsrieder im Februar 1999 als Vorstandsvorsitzender von BMW durch Joachim Milberg abgelöst. Dies spielt keine Rolle mehr, das Ergebnis blieb das gleiche.

 

Im Gespräch war nicht mehr das tolle neue Fahrzeug, sondern nur noch die Probleme von Rover und die Schließungsgerüchte. Die Kunden verloren das Vertrauen in Rover, die Verkaufszahlen gingen zurück. Der Rover 75 verkaufte sich trotzdem recht gut mit ca. 50.000 Einheiten im Jahr 1999, aber nicht gut genug für die BMW-Führung. Die Verkaufszahlen der beiden Vorgängerreihen 600 und 800 konnten zwar erreicht werden, aber die BMW-Führung hatte viel mehr erwartet, um die hohen Entwicklungskosten wieder einzubringen.

 

Rover fuhr 1999 nicht überraschend wieder einen hohen Verlust ein. Neben der negativen Propaganda des BMW-Vorsitzenden lag dies auch an den weiterhin hohen Entwicklungskosten. Rover entwickelte 1999 gleichzeitig 4 Baureihen, nämlich den Range Rover, den Rover 55, den New MINI und den Rover 75 Tourer. Auch baute man gerade eine neue Teile-Fabrik in Hams Hall. Diese hohen Kosten konnten natürlich aufgrund der ständig weiterbetriebenen desaströsen PR durch den BMW-Chef und weitere BMW-Vorstände und aufgrund des weiterhin ungünstigen Pfund-Wechselkurses nicht durch die Einnahmen ausgeglichen werden.

 

Im Jahr 2000 entschied deshalb die neue BMW-Führung unter Joachim Milberg, die Rover Group zu zerschlagen und möglichst viel Geld aus Rover herauszuziehen. Zunächst wurden Verkaufsgespräche mit der Alchemy Partners um John Moulton aufgenommen. Moulton wollte kurzfristig nur noch die MG-Modelle und den Rover 75 weiterproduzieren und langfristig unter dem Label MG Car Company in Kleinserie MG Sportwagen verkaufen. Diese Verkaufsverhandlungen scheiterten jedoch aufgrund der BMW-Forderungen.

 

Dann trat das Phoenix-Konsortium um den ehemaligen Rover-Chef John Towers auf den Plan. Towers (Foto links) akzeptierte die katastrophalen BMW-Forderungen.

Besonders negativ auf die zukünftige MG Rover Group wirkten sich folgende Verkaufsbedingungen von BMW aus:

  • Bei BMW verblieben die Marke Mini, der auf Kosten von Rover neu entwickelte MINI und die Fabrik in Cowley bei Oxford.
  • Land Rover mit Fabrik und Entwicklungsabteilung verblieben bei BMW und wurden später für ca. 1,5 Mrd. Euro an Ford verkauft.
  • Die Produktionslinien des MINI wurden von Longbridge nach Cowley gebracht, die Produktion des Rover 75 musste von Cowley nach Longbridge umziehen.
  • Das Motorenwerk (Rover Powertrain) in Longbridge verblieb bei BMW und musste von MG Rover für ca. 100 Mio. Euro von BMW zurückgekauft werden.
  • Die neue und auf Kosten von Rover errichtete Teile-Fabrik in Hams Hall verblieb bei BMW.
  • MG Rover durfte für einen bestimmten Zeitraum auf verschiedenen Märkten nicht tätig werden (z.B. Japan).
  • Unter der Marke Rover durften keine Allradfahrzeuge verkauft werden.
  • MG Rover musste langfristig und zu hohen Preisen Teile bei BMW kaufen.
  • Die von BMW gewährte Arbeitsplatzgarantie “jobs for life” musste von MG Rover übernommen werden. Dies führte zu hohen Lohnkosten für MG Rover.
  • BMW behielt viele Namensrechte wie z.B. Triumph, Riley und auch Rover. Die Namensrechte an Rover wurden von BMW an MG Rover nur verpachtet.
  • Der auf Kosten von Rover entwickelte Rover 45-Nachfolger Rover 55 verblieb bei BMW. Da MG Rover diese Entwicklung nicht von BMW zurückkaufen wollte, verschwand der Rover 55 in der Versenkung. Angeblich soll ein Teil der Entwicklung für den 1er BMW benutzt worden sein.

Zwar vergab BMW noch einen 250 Mio. Euro Kredit an MG Rover. Auch waren die zuvor auf Halde produzierten Fahrzeuge im Kaufpreis von 10 Pfund enthalten. Aber von diesen “Geschenken” BMWs musste MG Rover unter anderem die eigene Motorenfertigung zurückkaufen.

 

Wie man sieht hat BMW insgesamt mit Rover keine Verluste gemacht. Zwar belaufen sich der Kaufpreis und die Verlustausgleiche zwischen 1997 und 2000 auf mehrere Milliarden Euro. Allerdings muß man auch die oben genannten Werte dagegenrechnen. Zudem haben MG Rover und Land Rover noch bis 2005 Teile von BMW zu hohen Preisen bezogen (Motoren, usw.), so dass hier nochmals gute Gewinne für BMW abgefallen sind. Auch hat BMW die Marke Rover im Jahr 2006 für ca. 60 Mio. Euro an Ford verkauft.

 

Das Verhalten von BMW ab dem Jahr 1998 zeigt, dass die BMW-Eigner schnellstmöglich Rover loswerden wollten. BMW fürchtete jedoch die britische Presse und deren negative Schlagzeilen, wenn ein deutsches Unternehmen einfach ein britisches schließt. Also wurde ein “Dummer” gesucht, der die Überreste der Rover Group übernimmt. Auf die 250 Mio. Euro Kredit konnte man gut verzichten, war diese Summe doch günstiger, als wenn man selbst alles abwickeln müsste. Zusätzlich konnte BMW noch an MG Rover über Teilelieferungen verdienen. MG Rover hätte nur durch eine Übernahme eines anderen Herstellers gerettet werden können. Nachdem aber die Filetstücke von BMW abgetrennt wurden, fand sich kein Käufer.

 

Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. MG Rover hatte nach der Abspaltung von BMW nie eine Chance. Dies war im Jahr 2000 auch von BMW gewollt, sonst hätte man sich in den Jahren 2000 und später sich nicht wie eine üble Heuschrecke verhalten. Besonders die ständigen und teilweise unwahren Äußerungen von BMW zu MG Rover in den Jahren ab 2000 hat sicher noch seine Teil zum Untergang beigetragen. Ein ehrlicher Geschäftspartner hätte sich anders verhalten.

Viel konnte das Phoenix-Konsortium mit MG Rover nicht mehr erreichen. Die gewünschte Zusammenarbeit mit anderen Herstellern kam nie zustande. MG Rover hatte keine Resourcen und keine neuen Modelle in der Hinterhand. So behalf man sich mit der Entwicklung von sportlichen Modellen der bestehenden Rover-Modelle unter Marke MG. Dies konnte aber nicht die Entwicklung von neuen Modellen ersetzen.

 

Natürlich waren auch die erhöhten Gehaltszahlungen an die neuen Eigentümer des Phoenix-Konsortiums, die 2004 aufgedeckt wurden, nicht richtig und nicht hilfreich. Aber selbst ohne diese zu hohen Gehälter in Höhe von 20 Mio. Euro über 4 Jahre hinweg, hätte sich der Untergang vielleicht um 3 Monate verzögert. Die vernichtenden Weichenstellen wurden von BMW getroffen.

BMW hatte es geschafft, das gewinnbringende Unternehmen Rover zu vernichten und in Großbritannien einen ehemals starken Konkurrenten so nebenbei vom Markt zu nehmen. Und dies, ohne negative Publicity zu bekommen. BMW konnte damit die höheren Regionen der Marktposition von Rover in Großbritannien übernehmen. Dies scheint wohl eine Konzernstrategie von BMW zu sein; Borgward hatte man auch schon im Zusammenspiel mit der Bremer Politik in den 60ern vernichtet, um deren Marktposition einzunehmen.

 

Auch wenn ich kein Fan von GM bin, aber bei der Abspaltung von Saab hat GM schlussendlich doch noch zumindest Saab die Chance gelassen, zu überleben. Man hat sich nicht die Filetstücke rausgezogen, sondern hat noch durch die Konzentration von Produktion und Entwicklung Ende 2009 in Trollhättan erst den Verkauf von Saab als vollständiger Hersteller ermöglicht"

 

Der Saab und MG Rover Blog  21.Mai 2011 unter dem Titel "Wie BMW Rover vernichtete"